"Perspektive statt Befristung"



  • Generell kann ich verstehen, dass befristete Verträge und die daraus resultierenden Unsicherheiten alles andere als ein Idealzustand sind, aber die "Massenbefristung" findet sich doch längst nicht nur im Wissenschaftsberich, sondern (wahrscheinlich sogar vermehrt) in der freien Wirtschaft.



  • Ich verstehe auch das Problem, aber Stellen von öffentlichem Geld sollten immer befristet sein. Korruption ist halt ein großes Problem. Wer forschen und Geld verdienen will, sollte lieber in eine private Forschungseinrichtung gehen.

    PS: Ich bin selber Betroffener, der eine befristete wissenschaftliche Stelle an einer deutschen Uni hatte. Glaubt mir, das Übel der Cliquen, die sich gegenseitig Stellen zuschanzen und andere Abteilungen mobben ist einfach groß. Unsere Unis gehen den Bach herunter.



  • Der Vergleich Wirtschaft<->Hochschule ist aber doch sehr suboptimal. Erstmal hat man in der freien Wirtschaft die Chance, einen Folgevertrag zu bekommen. Das geht in der Hochschule abseits von 1x oder maximal 2x Verlängerung nicht, weil man sonst Anspruch auf eine Festanstellung erwirbt, was die Hochschule natürlich nicht möchte. Zweitens bedeutet der Wechsel in eine andere befristete Anstellung nahezu immer einen Hochschulwechsel, zumindest im universitären Bereich damit einen Stadtwechsel mit Umzug, Frau/Mann, später ggf. Kind. In der Industrie hat man zumindest die Chance, in der selben Stadt ersatz zu finden. Drittens gibt es in der Industrie keine 12-Jahres-Frist, die einen nach dem missglückten Marsch auf die Habilitation zwangsläufig zum Taxifahrer befördert.

    Hochschulkarriere heißt: Alles oder nichts! Und das Nichts ist zu dem Zeitpunkt, an dem man die Entscheidung trifft, noch nicht absehbar.

    @earli
    Das Argument zählt nicht. Befristung kann problemlos umgangen werden (z.B. durch Umschreibung der Stelle "nur auf dem Papier" in ein anderes Labor und darauf folgende "Rückkehr"). Korruption vermeidest du mit Befristung nicht, obwohl du alle ihre Nachteile in vollem Umfang an den Absolventen auslässt. Derweil lachen sich die Profs ins Fäustchen.



  • So schwierig wie es in Deutschland ist jemanden zu kündigen würde ich persönlich alles befristet vergeben was nur geht.



  • hustbaer schrieb:

    So schwierig wie es in Deutschland ist jemanden zu kündigen würde ich persönlich alles befristet vergeben was nur geht.

    Und wie würdest du dann jemand qualifizierten davon überzeugen, für dich zu arbeiten? 😛 Befristete Stellen müssen an anderer Stelle schon richtig was bieten, um dieses Manko auszugleichen.



  • GPC schrieb:

    hustbaer schrieb:

    So schwierig wie es in Deutschland ist jemanden zu kündigen würde ich persönlich alles befristet vergeben was nur geht.

    Und wie würdest du dann jemand qualifizierten davon überzeugen, für dich zu arbeiten? 😛 Befristete Stellen müssen an anderer Stelle schon richtig was bieten, um dieses Manko auszugleichen.

    Ähm, ja, tun sie. Tariflohn nämlich. Unbefristete Stellen gibt es gar nicht mehr und befristete nur da, wo der Arbeitgeber nicht alles zu unterbezahlter Leiharbeit oder unterunterbezahlten Werkverträgen schubsen kann.
    Ach, ich vergaß: Das betrifft hochqualifizierte Kräfte ja nicht.
    Halbes Jahr unbezahltes Praktikum und dann bekommt einer der beiden Praktikanten die Festanstellung.



  • In Ö kannst du jederzeit jmd. kündigen wenn er z.B. schlechte Arbeit leistet. Und du musst auch wenn du Leute abbaust weil du z.B. zu wenig Aufträge hast nicht die rauswerfen die am kürzesten dabei sind, sondern kannst die rauswerfen die halt einfach am wenigsten "wertvoll" für die Firma sind.

    Das hat einige Vorteile, nicht nur für den Arbeitgeber. Natürlich hat es auch Nachteile. Aber wenn eine Regelung dazu führt dass die Arbeitgeber Angst haben Leute einzustellen, weil man die nie mehr los wird wenn sie sich nach ein paar Jahren entscheiden einfach keine Lust mehr zu haben ordentlich zu arbeiten... dann ist das nicht gut.

    Genau so wie die dämliche Gesetzeslage in Ö wodurch Arbeitnehmer mit Behinderung quasi unkündbar werden. Was nicht dazu führt dass für die alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, sondern dazu dass sie genau überhaupt gar keine Stelle finden, weil die meisten Arbeitgeber lieber die Strafe zahlen als den Quotenbehinderten einzustellen.

    @GPC
    Ich hab auch geschrieben "was nur geht". Wenn in einem bestimmten Bereich viel mehr Leute gesucht werden als qualifizierte Bewerber da sind, und die Bewerber darauf reagieren indem sie alle befristeten Angebote ablehnen, dann geht es halt nicht.

    Ist aber extrem doof für den Arbeitgeber. Wie stellt man fest ob jemand qualifiziert ist, ohne ihn mal probeweise für 3/6/9 Monate einzustellen? Und selbst wenn man es schafft das vorab gut abzuchecken: woher weiss man ob es den äusserst qualifizierten Mitarbeiter auch schert ordentlich zu arbeiten? Gibt genug Leute die halbwegs was drauf haben, aber denen einfach alles scheissegal ist.



  • hustbaer schrieb:

    In Ö kannst du jederzeit jmd. kündigen wenn er z.B. schlechte Arbeit leistet.

    Hm, anhand von welchen Kriterien wird "schlechte Arbeit" definiert? Ich mein mal abgesehen von klaren Fällen wie "Surft den ganzen Tag im Netz anstatt zu arbeiten" gibt's da doch vermutlich eine erhebliche Grauzone, oder?

    hustbaer schrieb:

    Ist aber extrem doof für den Arbeitgeber. Wie stellt man fest ob jemand qualifiziert ist, ohne ihn mal probeweise für 3/6/9 Monate einzustellen?

    Ich weiß nicht, wie lange man die Probezeit in DE maximal ansetzen kann, aber 3 Monate sind auf jeden Fall drin. Insofern ist das mal ein Mittel, um sich einen näheren Eindruck zu verschaffen.



  • GPC schrieb:

    Ich weiß nicht, wie lange man die Probezeit in DE maximal ansetzen kann, aber 3 Monate sind auf jeden Fall drin. Insofern ist das mal ein Mittel, um sich einen näheren Eindruck zu verschaffen.

    Sechs Monate. Sollte vollkommen ausreichen. Wurde in der Firma, wo ich meine Ausbildung gemacht habe, auch angewandt bei einem Projektleiter.

    L. G.,
    IBV



  • GPC schrieb:

    hustbaer schrieb:

    In Ö kannst du jederzeit jmd. kündigen wenn er z.B. schlechte Arbeit leistet.

    Hm, anhand von welchen Kriterien wird "schlechte Arbeit" definiert? Ich mein mal abgesehen von klaren Fällen wie "Surft den ganzen Tag im Netz anstatt zu arbeiten" gibt's da doch vermutlich eine erhebliche Grauzone, oder?

    Ich weiss nicht was genau das Gesetz sagt, aber praktisch kannst du in Ö einen Mitarbeiter auch ohne echten Grund jederzeit kündigen.
    Und ich sehe das auch nicht als grosses Problem.

    Und wenn ich mir vorstelle ich hätte selbst eine kleine Firma mit ein paar Angestellten, und hätte im Falle des Falles keine Möglichkeit jemanden zu kündigen weil ich diese Person halt einfach nicht mehr weiter beschäftigen will...
    Pfuh. Also da würd' ich lieber auf die Selbständigkeit verzichten.



  • Zum Beispiel wegen mangelnder Unterwürfigkeit? Da gibts doch bestimmt auch Regeln.



  • hustbaer schrieb:

    Und wenn ich mir vorstelle ich hätte selbst eine kleine Firma mit ein paar Angestellten, und hätte im Falle des Falles keine Möglichkeit jemanden zu kündigen weil ich diese Person halt einfach nicht mehr weiter beschäftigen will...
    Pfuh. Also da würd' ich lieber auf die Selbständigkeit verzichten.

    Sozialkompetenz gleich null? Ziemlich unprofessionelles Verhalten...



  • IBV schrieb:

    hustbaer schrieb:

    Und wenn ich mir vorstelle ich hätte selbst eine kleine Firma mit ein paar Angestellten, und hätte im Falle des Falles keine Möglichkeit jemanden zu kündigen weil ich diese Person halt einfach nicht mehr weiter beschäftigen will...
    Pfuh. Also da würd' ich lieber auf die Selbständigkeit verzichten.

    Sozialkompetenz gleich null? Ziemlich unprofessionelles Verhalten...

    *lach*
    Wortverdreher!



  • Sagmal habt ihr alle einen an der Klatsche?
    Mangelnde Unterwürfigkeit, Sozialkompetenz gleich null - gehts noch?

    Was ist asozial daran wenn man keine Lust hätte sich von seinen eigenen Angestellten verarschen zu lassen?



  • hustbaer schrieb:

    Was ist asozial daran wenn man keine Lust hätte sich von seinen eigenen Angestellten verarschen zu lassen?

    Erstmal nichts, aber auf den ersten Blick wirkt das System in Ö doch etwas happig, wenn man einen AN einfach grundlos entlassen kann. Das weckt zumindest den Anschein, dass man willkürliche Entlassungen hat z.B. "Der denkt politisch anders als ich, der muss weg". Ich kenne die Mechanismen des österreichischen Arbeitsmarkt nicht und weiß auch nicht, wie es in den Betrieben so zugeht, aber es sieht halt erstmal komisch aus (aus deutscher Perspektive).



  • hustbaer schrieb:

    Sagmal habt ihr alle einen an der Klatsche?
    Mangelnde Unterwürfigkeit, Sozialkompetenz gleich null - gehts noch?

    Was ist asozial daran wenn man keine Lust hätte sich von seinen eigenen Angestellten verarschen zu lassen?

    Du schriebst davon, jemanden kündigen zu wollen, weil du ihn nicht mehr weiterbeschäftigen willst. Das kann zig Gründe haben, davon auch jede Menge unlautere! Wer so eine Entlassung begründet, der hat für mich eine an der Klatsche!



  • IBV schrieb:

    Du schriebst davon, jemanden kündigen zu wollen, weil du ihn nicht mehr weiterbeschäftigen willst. Das kann zig Gründe haben, davon auch jede Menge unlautere! Wer so eine Entlassung begründet, der hat für mich eine an der Klatsche!

    Wieso nimmst du automatisch an dass es mir nur um die schlechten Gründe geht?
    Du schreibst selbst "zig Gründe (...) davon auch jede Menge unlautere" - was ist mit den anderen?

    Mit der selben Logik könnte ich argumentieren dass das Recht auf freie Meinungsäusserung böse ist, weil so viele Leute so viel Mist verzapfen!?!

    Mir geht es darum, dass es viele gute Gründe gibt warum man jmd. nicht weiter beschäftigen will, die man aber vor Gericht so-gut-wie unmöglich beweisen kann, und auch nur schwer glaubhaft machen.



  • hustbaer schrieb:

    Wieso nimmst du automatisch an dass es mir nur um die schlechten Gründe geht?

    Weil du die erst mal nicht ausgeschlossen hast. Dein Satz enthielt eine ganze Bandbreite von Gründen, darunter, wie gesagt, auch unlautere.

    Mit der selben Logik könnte ich argumentieren dass das Recht auf freie Meinungsäusserung böse ist, weil so viele Leute so viel Mist verzapfen!?!

    Ich wollte eher darauf hinaus, dass die Arbeitnehmerrechte mittlerweile so aufgeweicht sind, dass, wenn man jemanden aus guten Gründen loswerden möchte, dies i. d. R. auch kann. Ich möchte hier in D. ungern amerikanische Verhältnisse sehen.
    Die sechs Monate Probezeit sollten zumindest ausreichend sein, um Menschen auszufiltern, die gewisse Leistungen nicht erbringen. Bei anderen Verhaltensweisen kann man jmd. nach dreimaliger Mahnung kündigen.

    Mir geht es darum, dass es viele gute Gründe gibt warum man jmd. nicht weiter beschäftigen will, die man aber vor Gericht so-gut-wie unmöglich beweisen kann, und auch nur schwer glaubhaft machen.

    Es gibt nun mal Gesetze und du kannst keine erschaffen ohne irgendeine Form von Nachteil auf der anderen Seite zu erzeugen. Es ist die Frage, was man bevorzugt und mit welchen Kompromissen man leben kann und dazu ist es nötig, gewisse Dinge aus gesamtgesellschaftlicher Sicht zu betrachten und nicht nur aus einer Perspektive. Amerikanische Verhältnisse will ich hier nicht. Auch die momentanen gehen mir ziemlich auf den Senker. Es kann ja wohl nicht sein, dass man 40+ Stunden/Woche arbeitet und man immer noch über Vater Staat aufstocken muss. Da wird Ausbeutung subventioniert und Firmen, die gerechte Löhne zahlen, gehen pleite, aber das ist ein anderes Thema.

    L. G.,
    IBV



  • Es gibt nun mal Gesetze und du kannst keine erschaffen ohne irgendeine Form von Nachteil auf der anderen Seite zu erzeugen.

    Das ist klar.
    Die Frage ist nur ob diese Gesetzt nötig sind, und ob die Vorteile wirklich die Nachteile aufwiegen.
    Ist ja nicht so dass man in Österreich mit seinen Mitarbeitern machen könnte was man will.

    Es ist die Frage, was man bevorzugt und mit welchen Kompromissen man leben kann und dazu ist es nötig, gewisse Dinge aus gesamtgesellschaftlicher Sicht zu betrachten und nicht nur aus einer Perspektive.

    Falls du das überlesen hast: ich bin Arbeitnehmer - und war auch nie selbständig geschweige denn Arbeitgeber.
    Ich sehe das durchaus auch aus der Sicht der Arbeitnehmer, nur halt nicht ausschliesslich.

    Amerikanische Verhältnisse will ich hier nicht.

    Ich auch nicht. Ich weiss aber nicht ob wir die selbe Vorstellung von "amerikanischen Verhältnissen" haben. In den USA ist eher viel mehr unnötiger Scheiss reglementiert als hier.

    Und was das Thema Lohndumping angeht: das bekommt man wohl kaum dadurch in den Griff dass man es dem Arbeitgeber schwieriger macht Leute zu entlassen. Sondern, ganz easy, indem man einen Mindestlohn vorschreibt.



  • hustbaer schrieb:

    Ich weiss nicht was genau das Gesetz sagt, aber praktisch kannst du in Ö einen Mitarbeiter auch ohne echten Grund jederzeit kündigen.
    Und ich sehe das auch nicht als grosses Problem.

    hustbaer schrieb:

    Ist ja nicht so dass man in Österreich mit seinen Mitarbeitern machen könnte was man will.

    Ja was denn jetzt? Drück dich mal klar aus. Unterscheide zwischen "gesetzlich möglich" und "praktisch möglich". Zu Gesetzen kannst du anscheinend nichts sagen (schreibst, du wüßtest das nicht genau), aber ist ja auch egal- entscheidend ist die Praxis. Und in der Praxis ist es in Deutschland so, daß man sehr wohl jemanden befristet einstellen kann (der Arbeitsvertrag ist dann irgendwann automatisch vorbei, ohne daß man kündigen muß) und daß man einen Mitarbeiter, den man nicht mehr beschäftigen will, auch loswird.
    Oder anders gesagt, ein Chef, der ernsthaft daran scheitert, einen Mitarbeiter loszuwerden, wird damit gerecht für seine Ideenlosigkeit bestraft.


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